"Echt werden!"
Für mich persönlich, heisst echt zu werden nicht, egoistisch zu sein, ichbezogen zu werden, nur noch auf sich selbst zu schauen usw. Viele Menschen haben den Eindruck, um echt zu werden, dürfen sie sich nicht mehr von anderen Menschen beeindrucken oder beeinflussen lassen.
Echt zu werden gelingt meiner Meinung nach aber am besten in der Familie, in einer Gruppe von Menschen, unter Freunden und Arbeitskollegen. Man muss sich dafür nicht zurückziehen um sich selbst zu finden.
Um zu fühlen, ob ich gerade echt war, brauche ich ein Gegenüber und ich brauche Abmachungen die ich mit Anderen treffe. Das ist ein super Übungsgebiet, um echt zu werden. Kompromisse und Verhandlungen gehören da auch dazu, das klappt also am Besten im Kontakt mit anderen Menschen.
Für mich heisst echt werden, dass ich mich immer wieder vor und auch nach einer Entscheidung frage: Warum habe ich jetzt Ja (oder auch Nein) gesagt. Stimmt das für mich wirklich, oder habe ich eine Gegenleistung daran geknüpft. Habe ich nur meine Macht ausgespielt? Wollte ich jemandem damit eins auswischen oder schaden? Habe ich eine Erwartung daran geknüpft, oder wollte ich ganz ohne Hintergedanken Ja (oder auch Nein) sagen?
Und wenn es nicht so ist: Was würde dann wirklich für mich stimmen? Was hätte ich antworten sollen, damit es meine Wahrheit gewesen wäre und aus meinem Herzen heraus gesprochen?
Und dann in einem weiteren Schritt: Muss ich zu/absage korrigieren, oder kann ich es so lassen und es einfach das nächste Mal ehrlicher machen?
Mein echt Sein überprüfen kann ich auch, wenn ich nachdem ich von mir erzählt habe, oder von einer Situation, die ich erlebt habe, ich mich frage ob ich zBsp. übertrieben habe, zu meinen Gunsten eine Schippe draufgelegt habe, oder eine kleine Lüge eingebaut habe, die jemanden schlechter dastehen liess, als mich selber und dies nicht ganz der Wahrheit entsprach. Habe ich mich als Opfer dargestellt und die "Schuld" dem Anderen zugeschoben, als eine Situation nicht erwartungsgemäss zu Ende ging?
Stelle ich mich selbst gewohnheitsmässig als kleiner, schwächer oder dümmer dar, als ich wirklich bin? Dies alles ist auch nicht echt. Auch da darf ich noch einmal in mich hinein spüren und mich ehrlich fragen, warum ich zum Beispiel eine Geschichte aufgeblasen habe, dass ich als toller dastehe, als es in Wahrheit war. Das kann sein, dass ich mich dem, dem ich die Geschichte erzählt habe, gefallen möchte und glaube, mein Ziel so erreichen zu können. Es kann sein, dass ich Ärger vermeiden wollte, den ich vielleicht bekommen hätte, wenn ich alles richtig erzählt hätte.
Es geht hier nicht darum, sich für irgendetwas zu verurteilen, oder schlecht über dich zu denken, wenn du es nicht geschafft hast, ganz echt zu sein. Es geht darum, dir immer wieder bewusst zu machen, was das Echte gewesen wäre. So lernst du immer mehr, deine echte Wahrheit kennen. Und nur darum musst du dich kümmern, wenn du immer echter werden möchtest. Es ist nicht schlimm, wenn du es am Anfang nicht schaffst, in der Situation zu merken, dass du von deiner Wahrheit abweichst. Es geht nur darum, das "Schwamm drüber- Denken" abzulegen und die Situation noch einmal durchzugehen. Zu spüren, was die Wahrheit gewesen wäre und wie du dich jetzt fühlen würdest, wenn du echt hättest sein können.
Es können aber auch Situationen auftreten, in denen ich zum Beispiel eine Abmachung die ich mit jemandem getroffen hatte, erst viel später nicht mehr stimmig ist. Weil nicht abgesprochene Änderungen vorgenommen wurden, oder ich einfach jetzt anders darüber denke, als es damals war.
Traue ich mich nun auf den Anderen zuzugehen und mit ihm darüber zu sprechen? Traue ich mich, mir selbst im Rücken zu stehen und mich selbst ernst zu nehmen?
Oder bleibe ich mit zusammengebissenen Zähnen, oder Fäusten in den Hosentaschen in der Situation, wie sie jetzt eben ist und denke ich mir, jetzt kann ich nichts mehr ändern daran?
Für mich persönlich, ist das "echt werden" ein längerer Prozess, weil ich immer wieder hinhören muss, was meine innere Stimme mir sagt. Doch sobald ich wahrnehme, das etwas nicht stimmt, reagiere ich heute auch darauf und ich verhandle bis eine Übereinkunft getroffen ist, die für mich und den anderen stimmiger ist.
Oft ist es nicht möglich in der Situation selbst genau zu spüren, was echt ist und für mich stimmt. Dann kann ich auch einmal um einen Tag Bedenkzeit bitten. Echt zu werden soll kein Freipass für Unzuverlässigkeit werden, oder dass es zur Regel wird, dass ich aus Abmachungen wieder aussteigt. Aber wenn ich merke, dass etwas wirklich nicht für mich geht, kann ich das sagen und ich persönlich denke, das kommt seriöser rüber, wie wenn ich mich winde, mir keine Mühe gebe, weil es mir stinkt, oder ich sogar mittendrin abbrechen muss, weil ich über die Situation krank werde.
Ich meine also damit, dass ich mich wieder spüren lernen kann, wenn ich verlernt habe, wahrzunehmen, was ich eigentlich wirklich möchte. Wenn du am Anfang jede Entscheidung mit den Fragen weiter oben hinterfragst, beginnst du dich besser kennen zu lernen und du spürst mit der Zeit den Unterschied viel schneller, ob eine Entscheidung für dich stimmig ist, oder eben nicht. Du hast auch immer die Wahl alles beim alten zu lassen. Aber du merkst mit ein wenig Übung sehr schnell, ob das was du gesagt hast, damit übereinstimmt, was du wirklich denkst und fühlst.
Mit der Zeit, sagte ich zum Beispiel viel einfacher was ich dachte, weil es viel mühsamer war, vor jemanden hin zustehen und zu erklären, dass ich meine Entscheidung gerne ändern würde, als wenn ich mir Zeit erbittet habe, erst gründlich hinein spürte und mich dann erst entschied. Auf Grund dessen, was ich in echt fühlte und spürte.
Man spart viel Zeit und Ärger, wenn man sich ernst nimmt in solchen Dingen. In dem Sinne wünsche ich Dir eine schöne Entdeckungsreise, in dein echt Sein hinein.
Alles Liebe Sabrina
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